aktion tier Projekt Kitty Straßen-Katzenhilfsprojekt
Projekt Kitty

Das Paderborner Modell zieht positive Bilanz

Nach nunmehr fast zehn Jahren können wir als Projekt Kitty Paderborn eine gute Bilanz ziehen. Die großen Stellen an denen sich weit mehr als 20 Tiere im Stadtgebiet aufhielten, gibt es nicht mehr. Die Katzen wurden kastriert, und wenn noch eine Gewöhnung an den Menschen möglich war, von uns weitervermittelt. War das nicht der Fall, kamen sie zurück an die eingerichteten Futterstellen und werden bzw. wurden von uns dort weiterhin versorgt. Wenn wir heute gerufen werden, finden wir maximal ein Muttertier mit Welpen vor und können dann schnell helfen. Die Tatsache, dass uns von behördlicher Seite geholfen wird, wenn wir mal wieder mit der Uneinsichtigkeit der Katzenhalter bzw. Fütterer zu kämpfen haben, ist für uns unbezahlbar und erleichtert unseren täglichen Einsatz immens.

Eröffnung Kitty Stützpunkt Paderborn
Eröffnung der neuen Räumlichkeiten des Kitty Forums Paderborn. Foto: © aktion tier e.V.

Die Zahl der durchgeführten jährlichen Kastrationen im reinen Stadtgebiet Paderborn ist von über 300 Tieren im Jahr 2008 auf maximal jetzt 50 Tiere gesunken. Leider betrifft die Kastrations- und Kennzeichnungspflicht nur das Gebiet der Stadt Paderborn und deren angeschlossenen Stadtteilen. Im Kreis Paderborn mit seinen weiteren neun Städten und Gemeinden wurde lediglich in einer weiteren Stadt diese Pflicht eingeführt. Wir sind momentan mit den Vorbereitungen für eine kreisweite Kastrations- und Kennzeichnungspflicht beschäftigt und möchten diese aufgrund der nachfolgend erklärten Änderung des Tierschutzgesetzes einführen lassen.

Denn im Jahr 2013 ergab sich eine weitere Möglichkeit, die Situation der Katzen zu verbessern. Die Kastrations- und Kennzeichnungspflicht in Paderborn war auf ordnungsrechtlicher Basis im Rahmen der öffentlichen Gefahrenabwehr entstanden. 2013 wurde mit Einfügung des § 13b in das Tierschutzgesetz eine Alternative geschaffen, das Problem der unkontrollierten Vermehrung und Verelendung von Katzen auf tierschutzrechtlicher Basis anzugehen.

In der Rechtsverordnung sind die Gebiete abzugrenzen und die für die Verminderung der Anzahl der freilebenden Katzen erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Insbesondere können in der Rechtsverordnung

  • der unkontrollierte freie Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen in dem jeweiligen Gebiet verboten oder beschränkt sowie
  • eine Kennzeichnung und Registrierung der dort gehaltenen Katzen, die unkontrollierten freien Auslauf haben können, vorgeschrieben werden. Eine Regelung nach Satz 3 Nummer 1 ist nur zulässig, soweit andere Maßnahmen, insbesondere solche mit unmittelbarem Bezug auf die freilebenden Katzen, nicht ausreichen. Die Landesregierungen können ihre Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Behörden übertragen.

Rückblick ins Jahr 2008

Im Jahr 2008 fanden wir in der nordrheinwestfälischen Stadt Paderborn folgende Situation im Katzenbereich vor:

  • Das Projekt Kitty von aktion tier kastrierte seit dem Jahr 2003 bis zu 700 freilebende Katzen jährlich aus dem Paderborner Land, Tendenz steigend.
  • Das zuständige Tierheim musste regelmäßig aufgrund von Überfüllung Aufnahmestopps für Fundkatzen verhängen.
  • Bei dem zuständigen Ordnungsamt in Paderborn häuften sich die Beschwerden über die große Anzahl von Katzen, die sich unkontrolliert vermehrten und somit ganze Wohnsiedlungen in Beschlag nahmen.
  • Der Gesundheitszustand der frei lebenden Katzen wurde immer schlechter, die Tiere litten unter Infektionskrankheiten, extremen Parasitenbefall und waren in einem äußerst schlechten Ernährungszustand (erwachsene Tiere wogen teilweise kaum mehr als 2 Kilo).
  • Die Zahl der frei lebenden Katzen im Kreis Paderborn wurde auf ca. 40.000 Tiere hochgerechnet.

Diese Situation führte dazu, dass sich das zuständige Ordnungsamt, das Veterinäramt und die örtlichen Tierschutzvereine zusammensetzten, um nach einer Lösung für das Katzenproblem zu suchen. Nach sorgfältiger Planung und Vorarbeit (hier war auch die vom Projekt Kitty Paderborn durchgeführte Dokumentation der einzelnen Kastrationen sehr wichtig) wurde am 22.09.2008 die Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für Freigänger Katzen in Paderborn eingeführt. Diese wurde in die Ordnungsbehördliche Verordnung der Stadt Paderborn mit folgendem Text aufgenommen:

§ 5 Tiere

  • (4) Katzenhalter/innen, die ihrer Katze Zugang ins Freie gewähren, haben diese zuvor von einem Tierarzt kastrieren und mittels Tätowierung oder Mikrochip kennzeichnen zu lassen. Dies gilt nicht für weniger als 5 Monate alte Katzen. Als Katzenhalter/in im vorstehenden Sinne gilt auch, wer freilaufenden Katzen regelmäßig Futter zur Verfügung stellt.
  • (5) Für die Zucht von Rassekatzen können auf Antrag Ausnahmen von der Kastrationspflicht zugelassen werden, sofern eine Kontrolle und Versorgung der Nachzucht glaubhaft dargelegt wird. Im Übrigen bleibt § 16 unberührt.

Die Freude in der Tierschutzszene war groß, hatte man hier nun endlich von behördlicher Seite ein Instrument gegen die unkontrollierte Vermehrung von Katzen geschaffen. Tierschützer waren nicht mehr länger auf das Verständnis der Katzenhalter angewiesen, sondern konnten auf die Verordnung verweisen und damit wesentlich effizienter arbeiten. Sicherlich gab es wie überall auch die Zweifler, die eine Prozessflut von Katzenbesitzern befürchteten, die sich gegen eine Kastration ihrer Haustiere wehren. Diese blieb aber aus. So wurden bis jetzt einige Anhörungsverfahren durchgeführt, die aber alle mit der Kastration der entsprechenden Katzen beendet werden konnten. Insgesamt waren die Reaktionen auf die Einführung der Katzenkastrations- und Kennzeichnungspflicht nur positiv. So wurde das zuständige Ordnungsund Veterinäramt von interessierten Städten aus dem In- und Ausland nach der Vorgehensweise und den Erfahrungen befragt. Schließlich gibt es in ganz Deutschland ein großes Katzenproblem und viel Leid und Elend auf den Straßen aufgrund von unkontrollierter Vermehrung! Wir konnten so auch vielen Tierschutzvereinen mit unseren Erfahrungen zur Seite stehen und bei Gesprächen mit Bürgermeistern, Ordnungsämtern und Veterinärämtern beratend begleiten.

Das Paderborner Modell ist eine Erfolgsgeschichte

Mittlerweile haben nun schon neun Bundesländer (Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg- Vorpommern, Thüringen und Niedersachsen) die Möglichkeit geschaffen, per Landesverordnung kommunale Katzenschutzverordnungen nach § 13b Tierschutzgesetz zu erlassen.

Dies ist ein weiterer großer Schritt für die flächendeckende Verbesserung der Lebenssituation von Katzen in Deutschland. Nichtsdestotrotz ist unser letztendlich angestrebtes Ziel, eine bundesweite einheitliche Kastrations- und Kennzeichnungspflicht von Freigänger Katzen. So wie jedem bewusst ist, dass man Hundesteuer zahlen muss, wenn man einen Hund hält, sollte auch jedem Katzenhalter bewusst sein, dass man seine Katze kastrieren und kennzeichnen lassen muss. Erst wenn wir die Menschen so weit aufgeklärt haben, können wir mit einer großflächigen Entspannung auch im Bereich der frei lebenden Katzen rechnen. So ist schließlich jede frei lebende Katze einmal ein geliebtes Haustier oder ein Nachfahre eines solchen Haustiers gewesen.

Abschließend können wir sagen, dass mittlerweile 387 Städte und Gemeinden eine Kastrations- und Kennzeichnungspflicht wie das Paderborner Modell eingeführt haben und 43 Städte und Kreise eine Pflicht nach Paragraph 13b des Tierschutzgesetzes. Das Paderborner Modell ist somit eine absolute Erfolgsgeschichte, die das bundesweit herrschende Katzenproblem grundlegend angegangen und positiv verändert hat.

Susan Smith

Projekt Kitty, Partnerbetreuung NW/RP/HE